Wirtschaftsinformatik – Dinosaurier oder Innovator?

Bildquelle: BWI

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Kein Vertriebsgespräch ohne Tablet, keine Shoppingtour ohne Smartphone: Digitale Innovationen durchdringen sämtliche Arbeits- und Lebensbereiche. Um die deutsche Wirtschaftsinformatik aber ist es im Zuge des digitalen Mega-Hypes seltsam still. Welche Rolle haben Forschung und Lehre heute? Darüber debattierten die führenden IT-Professoren Deutschlands bei der MKWI 2016 in Ilmenau.

Der aktuelle Innovationsschub unterscheide sich fundamental von den vorangegangenen, sagte Prof. Dr. Paul Drews von der Universität Lüneburg. Das kapitalstarke Silicon Valley und kreative Startups trieben die digitale Evolution rasant voran.

„Digitalisierung findet da draußen statt!“

Die Resultate seien allerorten sichtbar, besonders deutlich in den Einkaufsstraßen der Innenstädte. Sterbende Bankfilialen, die Revolution der Medienlandschaft und die neuen Servicekonzepte von Energiekonzernen haben laut Prof. Drews einen gemeinsamen Nenner: Der einzelne Kunde steht heute klar im Fokus jedes unternehmerischen Handelns. Dasselbe lässt sich auch für öffentliche Einrichtungen sagen, wo der Bürger immer stärker in den Mittelpunkt rückt.

Konsumenten und Bürger verfügen in der digitalen Ära über eine enorme Informationsvielfalt und genießen mehr Handlungsoptionen als jemals zuvor. Entsprechend hoch sind heute ihre Erwartungen: Sie wollen direkter und einfacher mit Unternehmen und Behörden interagieren. Außerdem fordern sie zunehmend individuell zugeschnittene Dienstleistungen und Produkte. Die IT-Services von Bund, Ländern und Kommunen müssen so gestaltet sein, dass Bürger ihre Daten einfach, schnell und sicher bei Verwaltungen hinterlegen und mit den Diensten über den Kommunikationspfad ihrer Wahl kommunizieren können.

Daraus resultiert ein steigender Innovationsdruck, der die Organisationen zum Handeln zwingt. Und wo bleibt bei all dem die Wirtschaftsinformatik?

Den Wandel leiten und begleiten

Die Teilnehmer des Panels waren sich einig: Die Technischen Universitäten agieren in der gegenwärtigen Umwälzung zu zögerlich. Es gelte jetzt, mutig Akzente zu setzen und Forschung, Lehre, Wirtschaft und Politik neue Impulse zu geben. Prof. Dr. Alexander Mädche vom Karlsruhe Institute of Technology sagte, sein Fach sei prädestiniert dafür, die digitale Transformation aktiv zu gestalten. Stärkere Kooperationen und Forschungsallianzen seien das Gebot der Stunde. Wirtschaftsinformatik zeichne sich dadurch aus, dass sie die technologische Entwicklung fundierter betrachten könne als andere Organisationen, ergänzte Prof. Thomas Hess von der LMU München. Sie verfüge über Hintergrundwissen im Informationsmanagement, das dem Markt häufig fehle. Auch wenn es um handfeste Probleme im unternehmerischen Umfeld gehe, könne sie auf einen breiten Erfahrungsschatz zugreifen. Mit diesen Fähigkeiten könne sie die Wirtschaft dabei unterstützen, die Digitalisierung strategisch zu steuern und neue Business-Modelle, Wertschöpfungsketten und Managementkonzepte zu entwickeln.

Wirtschaftsinformatik, disrupted

In der anschließenden Fragerunde gerieten die Professoren unter Beschuss. „Haben Sie als Lehrende keine Angst, selbst in der Digitalisierungswelle zu ertrinken?“, fragte ein junger Zuschauer. Schließlich fänden Studenten und Kreative heute über Crowd-Science- und weitere Online-Plattformen schneller die neuesten Fachinhalte als in Seminaren und könnten Projekte gemeinsam mit Gleichgesinnten in aller Welt umsetzen.

Hier sehen die Professoren aber bereits große Fortschritte in den Universitäten. E-Learning-Angebote und vielfältige Initiativen für Studenten würden derzeit konsequent ausgebaut. Die Wirtschaftswissenschaft ist also selbst offen für die kreative Zerstörung, die sie in den Unternehmen diagnostiziert.

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